Europäische Plattenrüstungen von der Renaissance bis zum Barock
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Ab Mitte des 14. Jahrhunderts wurden über dem Kettenrüstung zunehmend Metallplatten angebracht, die zunächst die Schienbeine und Knie, später aber auch Arme, Schultern und Brust bedeckten. Kurz vor der hussitischen Revolution wurde die Plattenrüstung entwickelt, oder auch Vollrüstung, die zusammen mit einem Helm mit klappbarem Visier den ganzen Körper schützte.
Die Plattenrüstung wurde auch von wohlhabenderen Mitgliedern der Infanterie verwendet (z. B. der Stadtmiliz) und im 16. und 17. Jahrhundert von den Pikenieren. Der Infanterierüstung fehlte in der Regel ein Beinschutz, der die Bewegungsfreiheit des Trägers einschränkte.
Massive Plattenrüstungen aus Stahlplatten
Obwohl die Rolle der feudalen Kavallerie wurde weniger und weniger bedeutsam, die Rüstungen der Kavallerie verbesserten sich weiter. Ab dem Ende des 15. Jahrhunderts waren alle Ritter von Kopf bis Fuß gepanzert. Viele solcher Rüstungen (meist ihre Repliken und Nachahmungen) sind heute in Burgen, Museen und Schlössern zu sehen, und obwohl sie den Eindruck machen, dass es absolut unmöglich war, in diesen sich zu bewegen – das Gegenteil ist wahr.
Die antiken Handwerker haben die Erfahrungen ihrer Vorgänger übernommen und haben auch die Anatomie des menschlichen Körpers gut gekannt. Ihre Rüstungen wogen von 20 bis 45 kg, sie gewährten also ziemlich große Bewegungsfreiheit. Der Turnierpanzer wog rund 60 kg oder mehr, wurde aber ausschließlich für diese Zwecke verwendet.
Ein Ritter in Vollrüstung aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Der Körper des Pferdes ist durch einen Pferdepanzer aus Kettengeflecht geschützt, der Kopf durch eine Stahlplatte („Rossstirn“ genannt). Nach und nach wurde Plattenrüstung für Schlachtross („Rossharnisch“ oder „Plattenharnisch“) entwickelt.
Original-Aquarell: Edgar Pachta
An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit wurden aus den feudalen „Milizionären“ Söldner. Diese waren dann in Kompanien und Truppen organisiert.
Wie wurde Plattenrüstung angezogen?
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts gehörten die italienischen Rüstungen zu den besten in Europa. Zu den berühmtesten Rüstung-Herstellern gehörte die Familie Missaglio. Aber auch die südwestdeutschen Rüstungshersteller blieben nicht zurück und produzierten elegante Rüstungen des „gotischen“ Typs.
In Europa erreichte die Plattenrüstung im frühen 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Die Vollrüstung war nun fast perfekt. Dennoch versuchten die Handwerker, noch bessere Rüstungstypen anzubieten.
Die Rüstungen wurden mit vielen Riffelungen verziert. Daraus entwickelte sich ein Rüstungstyp, die sogenannte Maximilian Rüstung. Diese Rüstungen waren leider viel zu teuer, und sind im ersten Viertel des 16. Jahrhundert wieder verschwunden.
Die Ganzkörperrüstung dauerte sehr lange anzulegen. Dazu hatte jeder Ritter Knappen oder Waffenknechte, die ihm beim Ankleiden halfen. Über dem gepolsterten Gambeson wurde zuerst Brust- und Rückenpanzer angelegt, dann die Halsberge, danach Oberschenkel-Schutz, das Beinzeug, Eisenschuhe und Armschutz mit Schulterpanzer. Der Kopf wurde mit einem Visierhelm geschützt. Das letzte Teil zum Anziehen waren die Panzerhandschuhe.
Deutscher Plattenpanzer vom Anfang des 16. Jahrhunderts.
Der legendäre Christoph von Gendorf
An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert hatte die Plattenrüstung bereits den Höhepunkt erreicht. Wie auch die folgende Geschichte bestätigt.
Im Herbst 1529, als die Osmanen zum ersten Mal Wien belagerten, nahmen sie einen gewissen Christoph von Gersdorf gefangen, einen österreichisch-böhmischen Adligen. Er war ein Mann von kräftiger Statur, der sich bei ritterlichen Turnieren auszeichnete.
Als er am 23. September 1529 nach einem heroischen Kampf gegen eine Überzahl von türkischen Kämpfern sein Pferd und sein Schwert verlor, geriet er in Gefangenschaft. Die Türken bewunderten seine Ganzkörperrüstung sowie auch die Tatsache, dass er damit ganz ohne Hilfe vom Boden sprang und danach weiter auf ein Pferd hoch, wo er einen Wurfspeer nach oben warf, um ihn im nächsten Moment wieder aufzufangen. Darüber hinaus konnten die Türken seine perfekte Rüstung nicht abnehmen, denn sie wussten nicht wie. Erst auf Bitten von Sultan Suleiman selbst zeigte er dem Dolmetscher zwei Bolzen an der Seite der Panzerrüstung. Die Osmanen schätzten den jungen Gefangenen sehr und ließen ihn nach Beendigung der Belagerung frei.
Leichtere Rüstungstypen
Der Militärdienst in der Kavallerie war der Traum eines jeden jungen Adligen. Doch nicht jeder konnte sich teure Rüstungen und ein Schlachtross leisten. Deshalb entstanden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, zunächst in Frankreich, die Chevaulegers (ursprünglich Cheveaux-Legers - aus dem Französischen chevaux = Pferde; léger = leicht) - eine Form leichter Kavallerie, die leichter gerüstet waren als andere Kavalleristen.
Eine weitere Art leichter Kavallerie war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die deutschen „Schwarzen Reiter“, oder auch „Deutsche Reiter“. Die Deutschen Reiter ritten leichtere Pferde, trugen eine schwarze Halbrüstung und Schnabelschuhe. Sie waren mit modernen Waffen bewaffnet - Pistolen und später mit Arkebusen, wonach sie als „Arkebusier-Reiter“ bekannt wurden.
Ein Offizier der venezianischen Arquebusiere, ca. 1700. Er trägt einen Helm und einen Kürass mit Beinschienen - alles mit geschwärzter Oberfläche und dekorativen Riffelungen.
Original-Aquarell: Edgar Pachta
Kürassiere
Kürassiere waren eine weitere Truppengattung der Kavallerie, die eine reduzierte Plattenrüstung trugen, Brustpanzer oder auch „Kürass“ genannt. Ab Anfang des 17. Jahrhunderts war für sie eine Dreiviertel-Rüstung typisch. Die Grundversion dieser Rüstung wog etwa 12 kg, aber zusammen mit anderen Komponenten (z. B. verstärktem Brustpanzer) konnte sie jedoch bis zu 42 kg wiegen. Bei den Rüstungen dieser Zeit ging es weniger um Dekoration als vielmehr um die Sicherheit des Besitzers vor den auftretenden Feuerwaffen.
Eine Dreiviertel-Rüstung aus dem 17. Jahrhundert.
Während des Dreißigjährigen Krieges legten die Kürassiere alle nicht-notwendige Teile ihrer Rüstung ab, bis die Rüstung nur auf einen Kürass und einen Helm reduziert wurde. Sie etablierten sich als schwere Kavallerie, die bis Ende der Ersten Weltkriegs mit der Ritterrüstung in die Schlacht zog.
Helm der polnischen „Flügelhussaren“. Dekorative „Flügel“ wurden erst nach 18. Jahrhundert angebracht.
Polnisch-litauischen „Husaren“ vom Beginn des 17. Jahrhunderts verwendeten ein Sondertyp der Plattenrüstung. Dieser Rüstungstyp würde aber einen separaten Artikel brauchen.
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